Die Problemlage ist immens: Bundesdeutsche Studien belegen, dass es in Deutschland etwa 2,65 Millionen Kinder gibt, die in einer Familie leben, in denen mindestens ein Elternteil suchtkrank ist. Das bedeutet, etwa jeder siebte Jugendliche unter 18 Jahren ist betroffen. „Nach dieser Statistik leben in Mannheim zwischen 4.000 und 5.000 Kinder in Familien, in denen die Sucht nach Alkohol oder Drogen eine Rolle spielt“, weiß die Sozialarbeiterin. „Diesen wollen wir mit unserem Angebot helfen.“ Betroffene Kinder sind häufig stark belastet: Überforderung, Hilflosigkeit und Angst, Unsicherheit und Scham prägen ihre Lebenssituation. „Viele der betroffenen Kinder reden nie über die Probleme der Eltern und über ihre eigene Scham. Dazu kommt, dass die Eltern meist glauben, sie könnten ihre Sucht vor der Umwelt und auch den Kindern verheimlichen“, spezifiziert Annett Rönnau die Problemlage der Kinder und Jugendlichen. „Wenn man die zugrundeliegende Statistik betrachtet, ist es enorm wichtig den betroffenen Kindern ein Hilfsangebot zu machen“, ist auch Thomas Wenz, Leiter der Caritas-Suchtberatung, von dem neuen Projekt überzeugt. Er ergänzt: „Leider bieten nur etwa zehn Prozent aller Suchtberatungsstellen in Deutschland so ein Projekt an. In Mannheim sind wir derzeit die einzigen“.
Über Gruppengespräche und gemeinsame Aktivitäten will die Sozialarbeiterin das Vertrauen der Kinder gewinnen, „um das Selbstwertgefühl der Kinder zu stärken und ihre Kompetenzen zu entdecken und weiterzuentwickeln“, so Rönnau: „Damit entfalten wir vorhandene Ressourcen, die den Kindern helfen, ihre Probleme und somit ihr Leben besser zu bewältigen.“ Kinder aus Suchtbetroffenen Familien neigen dazu, es ihren Eltern gleich zu tun. Studien belegen, dass diese Kinder einem sechs Mal höheren Risiko unterliegen, selbst einmal abhängig zu werden. Oder, wie Rönnau ergänzt, eine psychische Störung zu entwickeln.
In den „KISIKO“-Räumen in D 7, 5, erwartet die Kinder ein geschützter Raum, in dem sie zusammen mit der Sozialarbeiterin in kindgerechter Weise ihre Erlebnisse und Erfahrungen verarbeiten können. „Als erstes lernen die Mädchen und Jungen hier, dass es in Ordnung ist, über die Sucht ihrer Eltern und über ihren eigenen Umgang damit, zu sprechen. Dann zeigen wir ihnen, dass sie keinerlei Schuld daran haben, dass Vater oder Mutter abhängig sind“. Dazu nutzt sie allerlei kreative Möglichkeiten, malt und gestaltet mit den Kindern, spielt Gesellschaftsspiele oder liest ihnen vor – damit kommt man ins Gespräch: über die Sucht der Eltern, über die eigenen Ängste und Sorgen.
Natürlich sind auch die Eltern mit einbezogen: „Unser Ziel gegenüber dem abhängigen Vater oder der Mutter ist es, ihnen zu zeigen, dass ihre Sucht Auswirkungen auf das Familienleben und damit ganz direkt auf die Kinder hat. In der Regel wollen die Eltern das Beste für ihre Kinder und sehen ein, dass diese Unterstützung brauchen im Umgang mit dieser schwierigen Situation“. Gleichzeitig aber richtet sich „KISIKO“ vorwiegend an die Kinder, um diese so weit zu stärken, dass sie mit ihrer Situation umgehen können. Die Sucht der Eltern wird anderswo, beispielsweise in der Caritas-Suchtberatung, angegangen. Während die betroffenen Kinder zuhause oft ganz viel Verantwortung mittragen müssen, können sie bei Annett Rönnau zunächst einmal eines sein: Kinder.
Autor: wepi
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